Kennen Sie die Prozesse Ihrer Kirche?

Kennen Sie die Prozesse Ihrer Kirche? Können Sie sie beschreiben? Können Sie sie gar aufzeichnen? Wie sieht Ihr Kerngeschäft aus und wo entwickeln Sie sich hin? Kennen die Mitarbeitenden und die Mitglieder die Abläufe Ihrer Organisation? Wissen Sie, warum was wann und wozu geschieht? Oder läuft vieles willkürlich und mit unklarem Ausgang? Passieren viele Fehler oder Ausfälle? Müssen Sie das Rad immer wieder neu erfinden? Gibt es Löcher in Ihren Abläufen? Ist für alles gesorgt? Entwickelt sich Ihre Gemeinde weiter oder ist sie stehen geblieben? Eine Prozesslandkarte beantwortet viele dieser Fragen. Und falls nicht, hilft sie Ihnen, eine Antwort auf die Frage zu finden. Darum möchte ich Ihnen die generische Prozesslandkarte (PLK) für Kirchen etwas genauer vorstellen. Denken Sie daran, es handelt sich um einen generischen Prototypen, welcher sich individuell anpassen lässt.

 

Prozesse sollen immer kurz und präzise, nach Objekt und Verrichtung (Subjekt und Verb) beschrieben sein. Eine PLK soll die Beziehung zum Kunden zeigen. Grob unterteilt wird in Führungs-, Leistungserstellung- und Support-Prozesse. Die Führungsprozesse werden oft auch als Managementprozesse und die Leistungserstellungsprozesse als sogenannte Kernprozesse bezeichnet.

Sehen Sie unten die Prozesslandkarte Lean Church: In der Prozesslandkarte sind 9 Geschäftsprozesse beschrieben, welche für die meisten Kirchen relevant sind. Wir bewegen uns auf einer hohen Flugebene, denn wir reden hier in der Regel nur von Level 1 bis 2. Für das Kirchenmanagement sind die Level 1 bis 3 relevant, ein Beispiel zeige ich Ihnen unten im Prozess 1 „Kirche steuern“. Ab Level 4 bewegen wir uns eher auf der Ebene von Prozessen, welche den Charakter haben von „Arbeitsanleitungen“ oder „Weisungen“. Diese Prozesse haben dann einen sehr hohen Detaillierungsgrad. Wenn man sich nur auf Level 4 bis 6 bewegt, verliert man aber nach und nach den Blick fürs Ganze und oft auch den Kundenfokus. Darum kümmern wir uns hier vorerst nur um die übergeordneten Levels.

 

Der Inhalt einer PLK wird in aller Regel aus der Strategie heraus entwickelt. Denn die PLK soll helfen, die Ziele aus der Strategie zu erreichen. Bevor Sie sich also an eine saubere PLK machen, sollte die Strategie Ihrer Kirche stehen.

 

Prozess 1 „Kirche steuern“: Hier werden die Führungsprozesse beschrieben. Das sind die Prozesse, die für die Gemeindeleitung von hoher Priorität sind. Die Gemeindeleitung soll sich um Themen wie Strategie, Operations, Projekte, Qualität und Risiken kümmern. Tut sie das nicht, gleicht die Gemeinde einer Strasse ohne Leitplanken. Sie finden unten ein Beispiel für den Prozess 1, welche Managementprozesse relevant sind bis auf Level 3, inklusive Vorschlägen von Kennzahlen. Die Kennzahlen braucht das Leitungsgremium für die Überprüfung von Zielsetzungen und schlussendlich zum Steuern der Gemeinde.

 

Prozess 2 „Kunde begleiten“: Das wichtigste in jeder PLK sind die Kernprozesse, denn dies sollte  unmittelbare Wertschöpfung für den Kunden bedeuten. Ohne Kunde, kein Business – oder anders: Keine Suchenden oder Gläubige, keine Kirche. In vielen Gemeinden, die ich kenne, hapert es schon am Prozessverständnis für den Kernprozess. Es besteht allzu oft überhaupt kein cleveres Konstrukt für die Kundenprozesse. Mit einem Angebot nach Giesskannenprinzip können Sie leider nicht die Welt erobern – und schon gar nicht die Herzen von kirchendistanzierten Menschen.

 

In dieser generischen Prozesslandkarte sehen Sie ein Reifegrad-Modell hinterlegt, nach welchem die Willow Creek ihr Angebot aufbaut. Das Leistungsangebot, die Services und die Begleitung werden zielgerichtet und sorgfältig auf Mitglieder, Gläubige oder Kirchendistanzierte ausgerichtet und zwar mit Rücksichtnahme auf den geistlichen Reifegrad des Individuums. Das ist auch eine Art von Liebe: Die Botschaft zielgruppengerecht zu distribuieren. Das ist unter anderem eine der Aufgaben im Kernprozess.

 

Prozess 3 „Kunden Versorgung sichern“: Dieser Prozess ist neben der Kernprozessgestaltung deshalb so spannend, weil sich die Gemeinde hier sehr frei ausleben kann. Dieser Prozess läuft eng verbunden mit dem Kernprozess, dennoch reden wir hier von einem Supportprozess. Hier werden sämtliche Ressourcen geplant, Materialien und Verpflegung bereitgestellt, Räume oder Geräte aufbereitet aber auch die Dokumentation (zum Beispiel für Lebenszyklen und Wartung) dazu sichergestellt. Dieser Prozess wird so facettenreich gestaltet, wie es Gemeinden auf der Erde gibt – total individuell und trotzdem muss an alles gedacht werden.

 

In manchen Gemeinden gibt es vielleicht nur „Wasser und Brot“ - quasi ein „no frill“-Angebot - weil man der Meinung ist, dass es nur um die Lehre geht. Andererseits ist es aber auch möglich, dass Ihre Gemeinde wahrlich ein Catering-Meister ist und die Gottesdienst-Besucher nach einem Anlass gerne verweilen, weil das Essen und die Getränke so lecker und die Infrastruktur gemütlich und attraktiv sind. Vielleicht bietet die Gemeinde sogar einen verlängerten Kinderhort-Service an, damit Eltern in Ruhe reden oder beten können. All das kann prozessual aufeinander abgestimmt werden. Mit einer PLK können Sie solch ein Vorhaben oder Prozessdesign visualisieren und alle wissen, von was Sie sprechen.

 

Prozess 4 „Kunde kommerziell betreuen“: In diesem Prozess geht es um die Bewirtschaftung von Kundendaten, Korrespondenz, Spendenverdankungen, Administration et cetera. Dieser Prozess kann äusserst prüde konzipiert sein oder für den Kunden ebenfalls attraktiv und wertschätzend ausgerichtet werden. Die Frage soll sein, wie es möglich wird, dass der Kunde auch solche Prozesse als Wertschöpfung wahrnimmt?

 

Prozess 5 „Betriebsfähigkeit sichern“: Dieser Prozess ist für viele Gemeinden eine Herausforderung oder fast schon eine Löwengrube. Weil die Prozesse als unpopulär gelten, werden sie manchmal vernachlässigt und nicht aktiv designt. In diesem Prozess soll Wert darauf gelegt werden, die kirchliche Organisation weiter zu entwickeln, die Immobilien professionell zu entwickeln und zu unterhalten und die gesamte ICT zielführend zu gestalten.

 

Die Organisationsentwicklung ist mit operativem Schwergewicht hier angesiedelt, weil in vielen Gemeinden Entwicklungsbedarf herrscht und dieser meistens mit der Infrastruktur und ICT gekoppelt ist. Da die beiden Gebiete gerne ein Eigenleben entwickeln (oft mit eigenem Vokabular), ist die Organisationsentwicklung quasi Mittler zwischen den Leistungsersteller und diesen Supportprozessen. Deswegen ist diese Prozessführung eng aneinander gelegt. Aber selbstverständlich könnte dies auch anders angeordnet werden, zum Beispiel, dass man den Prozess „Organisation entwickeln“ direkt in die Managementprozesse involviert. Zurück zum Prozess 5: Das Ziel dieses Prozesses ist, die betrieblichen Abläufe zu sichern und funktionsfähig zu machen. Und zwar nach Zielvorgabe.

 

Prozess 6 „Forschung und Lehre“: In diesem Prozess wird alles abgebildet, was einerseits zur Lehr-vermittlung und –entwicklung zu tun hat, aber auch Forschungsarbeiten, die die Kirche entweder selber durchführt, in Auftrag gibt oder daran teilnimmt. Dieser Prozess ist nicht nur für Kirchen, welche an wissenschaftliche Arbeiten teilnehmen, sondern für alle Kirchen, welche eine Art von Jüngerschaftsschule anbieten. Das Modell, auf welchem zum Beispiel der Kernprozess basiert, könnte aus der Erkenntnis aus diesem Prozess stammen.

 

Prozess 7 „Personal managen“: Dieser Prozess widmet sich allen Themen rund um die Mitarbeiterrekrutierung, Anstellungsbedingungen und Mitarbeiteraustritte. Und in den Kirchen ist es üblich, dass freiwillige mitarbeiten. Warum nicht auch diese Prozesse gut gestalten? Selbstverständlich kann der Prozess „Personal managen“ verschiedenartig gestaltet werden. Als Beispiel könnte eine Gemeinde ein aktives Employee Relationship Management (ERM) betreiben, weil es daran interessiert ist, möglichst langjährige Anstellungen und gute Beziehungen zu den aktiven wie ehemaligen Mitarbeitenden aufzubauen. Fortschrittliche Unternehmen wissen um den Mehrwert eines ERM, weil sie so zum Beispiel High-Performer an sich binden können und dadurch die Produktivität und der Erfolg verbessern. In einigen Gemeinden funktionieren aber nicht mal die grundlegenden Human Resources Prozesse, wie Anstellungsvertrag, Lohnauszahlung oder professionelle Zeugniserstellung. Darum muss dieser Supportprozess ernst genommen werden und grundlegend standardisiert sein.

 

Prozess 8 „Finanzen managen“: Das Finanzmanagement gehört ebenfalls zum Standard einer jeden  Kirche. Eine Kirche ohne Finanzflüsse gibt es nicht. Selbst Kleinkirchen oder nur schon familiäre Gemeinschaften brauchen Ordnung in den Finanzen. Je grösser die Gemeinde wird, reden wir nicht nur von Buchhaltung, sondern von Budgetierung, Investitionen, Erfolgskontrollen und professionellen Abschlüssen, welche auch transparent für Externe sein sollen.

 

Prozess 9 „ Leistungen positionieren und kommunizieren“: In etlichen Gemeinden gibt es bereits Personen, welche für offizielle Stellungnahmen eingesetzt werden oder Kirchen, welche gezielte Marketingaktivitäten unternehmen. Dies sind Themen, welche in diesen Prozess gehören. Alles beginnt wie immer bei der Strategie und beim Auftrag der Gemeinde. Daraus kann zum Beispiel ein Marketingplan erarbeitet werden. Dort wird geregelt, wann welches „Produkt“ oder welche „Leistung“ beworben wird, mit welchen Massnahmen, wer die Zielgruppe ist, was die Kosten und was der Return (erwarteter Erfolg) sein soll. Selbstverständlich gehören das Kirchenblatt, Publikationen, die Internetseiten oder Medienanfragen in diesen Prozess und sollen ordentlich geregelt sein. Denken Sie daran, dass hier entschieden wird, wie Ihre Visitenkarte aussieht. Ob marode oder erfrischend liegt hier gänzlich in Ihrer Hand. Nutzen Sie die Chance und gestalten Sie diesen Prozess ebenso leidenschaftlich, wie die anderen 8 Prozesse.

 

Wie eingangs erwähnt, kann jede Kirche ihre eigene PLK erstellen. Die generische PLK kann dabei als Anleitung oder Orientierung dienen. Das Ziel ist, dass der individuelle Mensch (Input), durch den Kernprozess der Gemeinde (die Begegnung mit Jesus) schlussendlich zum Individuum „geliebter“ und auch „erretteter“ Mensch (Output) werden darf.

 

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