Lean Management für kirchliche Organisationen

Lean Church: Eine Kirche mit schlanken Prozessen

Woher kommt die Lean Management Lehre? Kurz und knapp, die Japaner haben sie nach dem 2. Weltkrieg begonnen und in den weiteren Dekaden perfektioniert. Den Namen "Lean Management" wurde durch die MIT Professoren Womack und Jones in den 90er Jahren gegeben. Die Lehre des Lean Management durchlief alle Branchen und Arten von Betrieben, egal ob Produktion, Administration oder Dienstleistung. Mittlerweilen ist Lean Management weltbekannt und anerkannt. Warum sollte es also für Kirchgemeinden nicht funktionieren? Ich behaupte, dass es funktioniert. Warum? Weil der Lean Gedanke bei Prozessen ansetzt und sie verschwendungsfrei macht. Das Ziel von Lean ist Wertschöpfung und was gibt es kostbareres als Wertschöpfung in der Gemeinde?
 
War es nicht Jesus selbst, der den Tempel aufräumte? Er befreite den Tempel von Ballast, von Verschwendung. All das was nicht notwendig war, wurde des Platzes verbannt. Die Quintessenz sollte bleiben. Gibt es also nur einen Archetypen von Gemeinde? Eine gut organisierte verschwendungsfreie Gemeinde ausgerichtet nach operational Excellence? Nein, ganz bestimmt nicht. Wie es bei der strategischen Ausrichtungen von Unternehmen diverse Ausrichtungen gibt, wie zB den Product- oder Serviceleader oder die Marktführung durch Customer Intimacy, gibt es auch unterschiedliche Ausprägungen bei der Gemeindepositionierung und dementsprechend unterschiedliche Arten der Führung. Gemeinden die eher gross sind, sind in der Regel stark auf exzellente Organisation angewiesen, sonst entstehen Wartezeiten, Überschüsse, Kommunikationsbarrieren oder grosse Hierarchiewege. Die Liste an möglichen Verschwendungen ist fast unendlich. Kleinere Gemeinden hingegen sind überschaubar und sollten in der Regel keine starken Hierarchien, lange Wege oder Wartezeiten haben. In der Regel reichen dann ein paar Organisationstalente um "die Familie zu managen". 
 
Lean Church ist also das Design einer schlanken prozessorientierten Gemeinde. Braucht es das? Ja. Vielleicht nötiger als wir glauben. Seit über 20 Jahren beobachte ich Kirchgemeinden und dabei fiel mir dreierlei auf. Sind Gemeinden nicht schlank geführt, sind sie entweder fett und träge oder mager und schwach. Eine "fettleibige" Kirche setzt ihre Ressourcen offenbar so ein, dass das Wachstum nicht in Muskeln oder neues Leben (Church Planting) transformiert wird, sondern in träges Fett, welches lähmend auf Prozesse wirkt. Oder die Ressourcen dienen zur Selbstbefriedigung, wie zum Beispiel überproduktive Gottesdienste oder Events. Ich habe nichts gegen spektakuläre Gottesdienste, aber wenn der grösste Anteil an Personalressourcen dafür eingesetzt wird, einen vergoldeten Gottesdienst zu organisieren, anstatt sich um Bedürftige zu kümmern, darf das in Frage gestellt werden. Bei der "unterernährten" Gemeinde fehlt irgendwo die Wertschöpfung und/oder der Ressourceneinsatz ist zu hoch für das fragile Pflänzchen. Bei beiden Arten - ob fett oder mager - scheint der Output nicht der Gewünschte zu sein.  
Das ist wohl kaum böswillige Absicht der Gemeindeleitung. Oft wird in Gemeinden viel unternommen und man müht sich ab, aber der Output ist all zu oft willkürlich. Wir wüssten gerne mehr darüber, wie wir unsere Arbeit fruchtbar einsetzen. Es frustriert uns, wenn wir keine Wertschöpfung generieren. Aber wie kann diese Willkür überhaupt entstehen? Die Antwort ist im Ansatz einfach und in den Facetten vielschichtig. Aus meiner Beobachtung führe ich das zurück, dass die meisten Personen welche in leitenden Funktionen sind, keine der Rolle entsprechenden Ausbildungen aufweisen. Und ganz sicher, sind sie keine Experten im sogenannten Lean Management. Ich schildere Ihnen das anhand eines kleinen fiktiven Beispiels: Nehmen wir eine Gemeinde von ca. 1'000 Mitglieder. Das Pastorenteam besteht typischerweise aus Lehrern, Aposteln, Evangelisten. Vermutlich haben fast alle ein theologisches Studium absolviert oder sich in der Privatwirtschaft etabliert. Ich denke, das geistliche Rüstwerk ist theoretisch durchaus abgedeckt. Aber sind es die Führungsfähigkeiten auch? Weiss dieses Führungsteam, wie man eine Vision mit einer Strategie verknüpft und wie dies in das "operative Geschäft" umgesetzt wird? Wissen sie, wie man Projekte organisiert und die gewünschten Ergebnisse sicherstellt? Wissen sie, wie Prozesse gesteuert und Outputs erreicht werden? Wissen sie, wie man überprüft, ob eine Gemeinde ausbalanciert ist oder nicht? Das sind ein paar wenige Grundlegende Fragen, und wenn Ihnen nicht sofort Lösungswege aufblitzen, ist das nicht weiter verwunderlich.
 
Die Anforderungen an gemeindeleitende Personen ist gestiegen
Die Anforderungen an gemeindeleitende Personen sind seit jeher, dass sie barmherzige Pastoren, solide Lehrer oder exzellente Prediger sein sollen. In den letzten 30 Jahren kam immer mehr die Anforderung hinzu, dass Gemeindeleiter oder -leiterinnen (nachfolgend der Einfachheit halber nur in der männlichen Form erwähnt) auch ein Verständnis von Leadership haben sollten. Warum? Mit der Erkenntnis aus der Wirtschaft stieg auch das allgemeine Verständnis von Führung - mittlerweile kann fast jeder Mitarbeitende irgendwie beurteilen, ob eine Führungskraft in seiner Aufgabe kompetent ist oder nicht. Ebenso stiegen die Ansprüche an die Führungskräfte, egal in welcher Organisation - so auch in Gemeinden. Aber müssen unsere Gemeindeleiter auch ein Verständnis von schlanken Prozessen haben? Oder überhaupt von Prozessen? Lassen Sie mich diese Hoffnung gleich im Keim ersticken. Durch jahrhundertelange Lehre der Hierarchie, wurde das Denken in Funktionen eisern geschmiedet. Eine heute gut organisierte Gemeinde betreibt maximal eine Organisation nach AKV (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung). Falls Sie das zum ersten mal hören, kein Problem - das geht vielen so. Es könnte aber unter anderem ein Indiz dafür sein, dass Sie als Pastor alles selber machen oder dass Ihre Gemeinde chaotische Zustände aufweist? Falls Sie kein AKV betreiben, dann haben Sie hier die Chance direkt zum heutigen state-of-the-art der heutigen Organisationsführung zu gelangen. 
 
Denken Sie in Funktionen oder in Rollen?
Der moderne Manager spricht heute davon, dass seine Mitarbeitenden ihre Rolle(n) prozessorientiert und eigenverantwortlich wahrnehmen. Was ist der Unterschied zwischen dem Denken in Funktionen und in Rollen? Wer in Funktionen denkt, denkt in Hierarchien und in Silos. Jemand der in Rollen denkt, denkt in Prozessen, sieht das Ganze und kann eigenverantwortlich agieren. Nicht das Silo ist vorrangig, sondern der Output, sprich das Resultat am Ende, welches dem Kunden einen klar definierten Mehrwert bringt. 
Das ist ein Reifegrad, den es in den meisten Kirchgemeinden heute so noch kaum gibt. Warum ist das so? Einerseits geben Funktionen und Positionen Macht und Sicherheit. Menschen suchen das - sie denken, sie brauchen das. Insbesondere vielleicht dann, wenn sie unsicher sind oder mindere Selbst- oder Emotionale Kompetenz aufweisen. Sogar als Leiter, welche aufgrund ihrer Funktion in der Regel als geisterfüllte Lehrer oder Leiter angesehen werden orientieren sich gerne an den üblichen Gemeindehierarchien. Andererseits ist ein Primärgrund, dass wir schlicht und einfach nie gelernt haben in Prozessen zu denken. Das ist übrigens nicht nur in Gemeinden der Fall, sondern auch vielerorts normal in Firmen und Organisationen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, auch Funktionen und eine definierte Aufbauorganisation haben ihre Aufgabe. Aber für eine dynamische Organisation ist das starre Denken und Organigrammen und Funktionen hinderlich.
 
Welche Vorteile erhalten Sie, wenn Ihre Gemeinde in Prozessen denkt? Eine ganze Menge: Plötzlich werden gemeinnützige Ergebnisse wichtiger als das eigene Interesse. Die Zusammenarbeiten werden besser ausgeführt. Man findet zusammen Lösungen und ist nicht mehr Abhängig von einem Leiter oder Pastor. Man lernt, dass Verbesserungen nie aufhören. Man hat das wesentliche vor Augen und orientiert sich an der Wertschöpfung. Prozessdenken fördert Interdisziplinarität und Interprofessionalität sowie eigenverantwortliches Denken und Handeln. 
 
Sie möchten Ihre Gemeinde dahin entwickeln und wissen nicht mit welchen Methoden? Lesen Sie bitte die anderen Artikel, wie man eine Kirche prozessorientiert aufbaut. Willkommen in der neuen Perspektive und viel Spass bei der Innovation!

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